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Oberstufenakademie "Baustellen unserer Zeit"

15.03.2021

In einer Woche um die Welt: Oberstufenakademie im Distanz-Unterricht

Vom Polarkreis über Brasilien, Shenzhen und Brüssel nach Dornach und zurück

Oberstufen-Akademie im Online-Format: Unter dem Motto „Baustellen unserer Zeit“ hatten die Oberstufenschüler*innen der Freien Waldorfschule Landsberg im Februar 2021 fünf Tage lang Gelegenheit, verschiedenen Vorträgen zu lauschen, Workshops und Seminare zu besuchen und mit den teils weit entfernt sitzenden Referent*innen und anderen Schüler*innen in Austausch zu kommen. Aus mehr als 30 Kursen konnten sich die Schüler*innen ihr persönliches Wochenprogramm zusammenstellen. Neben den eigenen Mitschüler*innen aus Landsberg nahmen an den morgendlichen Plenarvorträgen und Fragerunden sowie am freiwilligen Get-together am Abend auch Klassen der Rudolf-Steiner-Schulen Nordheide in der Nähe von Hamburg und Mönchengladbach in Nordrheinwestfalen teil. Die Veranstaltung wurde organisiert von einem gemischten Team aus Lehrer*innen und Schülervertreter*innen der Freien Waldorfschule Landsberg mit tatkräftiger Unterstützung von Franz Glaw vom Lehrstuhl Medienpädagogik der Freien Hochschule Stuttgart.

„Die Organisator*innen aus Landsberg haben es geschafft hochkarätige Referenten zu den jeweiligen Vorträgen zu gewinnen und eine Oberstufenakademie professionell im besten Sinne zu gestalten. Die Fragen im Anschluss zeigten deutlich, wie sehr die Themen das Interesse der ‚Zielgruppe‘ traf. “Und auch für mich persönlich gab es viel Neues und Bedenkenswertes, das mich sicher noch eine Weile mit Fragen, vor allem aber mit Achtsamkeit begleiten wird“, schildert die Ethik-Lehrerin Enke Schäfer-Haettich von der RSS Nordheide ihr Erleben.

In fünf Vorträgen einmal um die Welt

Den Auftakt der täglichen Plenarvorträge mit teilweise mehr als 170 Zuhörer*innen machte am Montagmorgen der Wasser- und Klimaforscher Lukas Glaw. Sympathisch lächelnd und im legeren Pulli vor einem Bücherregal in seiner Wohnung sitzend, erzählte der Jung-Wissenschaftler den Schüler*innen davon, wie er zusammen mit einer internationalen Forschergruppe auf Spitzbergen Wasserdaten über einen Gletscher gesammelt hat, wie er für diese Polarexpedition sogar Schießen lernen musste, um sich vor Eisbären zu schützen und welche Herausforderungen gemeistert werden müssen, wenn man zu wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Beispiel über den Klimawandel kommen will.

Am Dienstag reisten die Teilnehmer*innen der Oberstufenakademie mit dem Ethnologen Volker von Bremen zu indigenen Völkern in Lateinamerika. Auf berührende Weise erzählte der weitgereiste Kulturforscher von persönlichen Begegnungen mit Menschen aus völlig anderen Kulturen und deren Einstellungen gegenüber Natur und Gesellschaft. „Dass für diese Menschen der Handel mehr ein ‚Schenken und Zurückschenken‘ und nicht ein ‚seinen eigenen Wohlstand vermehren‘ ist, hat mich sehr zum Nachdenken darüber gebracht, wie wir hier leben und warum es so schwer ist, Brücken zwischen den Kulturen zu schlagen“, sagt ein Schüler der 12. Klasse nach dem Vortrag.

Zur Wochenmitte zeigte der Volkswirt Dr. Josef Zellner am Beispiel eines Plattenspielers die Lieferkette von in China produzierten Elektronikprodukten – von der Auswahl der Zulieferer, über den tausende Kilometer langen Transportweg bis hin zu internationalen Finanztransfers, Lagerhaltung und weltweitem Vertrieb. „Es war super interessant die ganzen Zusammenhänge zu sehen und auch die Sicht eines industriellen Nutzers. Vor allem mit Blick auf den Klimaschutz und fairere Wirtschaftsformen muss man sich wirklich klar machen, wie viel Macht eigentlich bei den Verbrauchern liegt und was wir alles unhinterfragt kaufen“, reflektiert ein Schüler im Feedbackbogen.

„Am liebsten wäre ich danach gleich aufgesprungen und hätte die Welt verändert“, fasst eine Schülerin indes ihre Stimmung nach dem Donnerstagsvortrag von Gerald Häfner zusammen. Einfühlsam und dennoch voll mitreißendem Enthusiasmus schilderte der ehemalige Bundestags- und Europaparlamentsabgeordnete, was es heißt, selbst Welt zu gestalten und etwas zu bewegen. Häfner, der selbst Waldorflehrer war und jetzt die Sozialsektion des Goetheanums leitet, hat selbst viel erlebt und bewegt und lässt mit seinen Worten auf unmerkliche Weise ein Gefühl des Aufbruchs in den Zuhörern aufsteigen. „Der Vortrag von Gerald Häfner hat mich wieder daran erinnert, dass ‚Ich schaue in die Welt‘ nicht nur ein Morgenspruch, sondern eine Haltung sein muss. Unsere Schüler*innen haben durch die Oberstufenakademie einen Blick über Kakenstorf hinaus auf andere Waldorfschulen werfen können, vor allem aber erfahren, dass sie mit ihren Gedanken, Fragen und Gefühlen nicht allein sind“, ergänzt die Ethik-Lehrerin Enke Schäfer-Haettich von der RSS Nordheide.

Diversität, Sexualität, Geschlechteridentitäten, Respekt und Diskriminierung waren die Schlagworte des Freitagsvortrags der beiden jungen Student*innen Till Julien Höffner & Ronja Eis. „Es hat mich total gefreut, dass das Thema endlich(!!) angesprochen wurde“, erklärt ein Schüler. Dass er mit dieser Haltung ganz und gar nicht allein dasteht in der Schülerschaft, demonstrierte eindrucksvoll die rege Beteiligung der Schüler*innen an Publikumsumfragen während des Vortrags und der nachfolgenden Reflexion. Eine Schülerin der 11. Klasse der RSS Nordheide zieht Bilanz: „Wenn jede neue Generation in einer etwas offeneren Welt aufwächst, gibt es Hoffnung, irgendwann frei von Geschlechterrollen, Diskriminierung etc. aufzuwachsen. Es ist noch ein langer Weg und ich möchte auf jeden Fall noch sehr viel mehr darüber lernen, um besser handeln zu können. Hier nochmal ein großes Dankeschön für diese tollen Projekttage, sie waren echt inspirierend und lehrreich!“

 

Die Freie Waldorfschule Landsberg am Lech bedankt sich ganz herzlich bei allen Vortragsredner*innen und Dozent*innen sowie bei der Waldorf-Stiftung und der Freien Hochschule Stuttgart für die Unterstützung bei dieser Projektwoche!

Die Bilder zu den Vorträgen malte Leoni Afrouz, 12. Klasse der FWS Landsberg am Lech

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